Die Brutto-Investitionen in Werbung – also für Honorare/Gehälter, für Werbemittelproduktion sowie für mediale Verbreitung der Werbung – haben im vergangenen Jahr rund 30 Mrd. € erreicht. Ein beträchtlicher Teil hiervon wird für die Zielgruppe Kinder und Jugendliche aufgewendet.
“Kinder und Jugendliche sind nicht nur die Kunden von morgen, sondern sie stellen eine große und kaufkräftige Gruppe von Konsumenten dar, da sie über eigenes Geld verfügen und durch ihre Wünsche und Vorlieben auch das Kaufverhalten vieler Erwachsener beeinflussen. Das macht sie zu einer interessanten Zielgruppe der Werbung. Darum sollten Schüler sich ihrer Rolle als Konsumenten bewusst werden, sich mit ihrem Konsumverhalten kritisch auseinandersetzen, sensibilisiert werden für ihre Beeinflussbarkeit durch Werbung, eine Vorstellung der Risiken unbedachten Konsums erhalten und ihre Rechte als Kunden kennen lernen. ” (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München)
Im Schulunterricht an Bayrischen Gymnasien werden Schüler fächerübergreifend für dieses Thema sensibilisiert. In Kunsterziehung wird auf die visuelle Gestaltung von Werbung eingegangen, im Musikunterricht werden Jingles und Werbemusik analysiert, Deutsch beleuchtet die Sprache in der Werbung, usw. Ein Lernmodell, das ich auch gerne mal in der Schule gehabt hätte.
Laut der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin sehen Kinder und Jugendliche – je nach Fernsehgewohnheiten – 20.000 bis 40.000 Werbespots pro Jahr. Besonders problematisch hierbei die Bewerbung von Süßigkeiten. Die Ergebnisse des Kinder- und Jugendsurveys des Robert-Koch-Instituts zeigen, dass 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren übergewichtig sind. Eine Adipositas, also Fettleibigkeit, liegt bei etwa 6,3 Prozent vor.
Im Jahr 2010 wurden insgesamt 720 Millionen Euro für die Bewerbung von Süßigkeiten ausgegeben, 90 Prozent davon für Fernsehwerbung. Seit 2008 sind die Ausgaben für die Süßigkeiten-Werbung um 100 Millionen gestiegen. Der Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit und dem Konsum von Werbung ist in Studien der Weltgesundheitsorganisation und der Europäischen Union gut dokumentiert. So hat Werbung von Lebensmittelherstellern, Handels- und Restaurantketten einen wesentlichen Einfluss darauf, wie sich Ess- und Trinkgewohnheiten von Kindern entwickeln.
Beworben werden darin vorwiegend Speisen und Getränke – und zwar solche, die Ärzte und Ernährungswissenschaftler nicht empfehlen, da sie reich an Fett, Salz und Zucker sind. Frisches Obst und Gemüse hingegen wird nicht beworben. Auch richtet sich die Werbung an immer jüngere Altersgruppen. Die im frühen Kindesalter geprägten Essgewohnheiten und Vorlieben wird man im Alter nur schwer wieder los.
Die Aufmachung und Vermarktung ungesunder Lebensmittel muss verbindlicher reguliert werden, fordern die Verbraucherzentralen. Doch Politik und Hersteller tun sich bislang schwer, das Problem konsequent anzugehen. Eine Selbstverpflichtung der Wirtschaft zur Werbung für Lebensmittel, mit dem Ziel, Kinder vor Werbung zu schützen, gibt es seit 2009. Diese Vereinbarung wurde bisher jedoch noch nicht zufriedenstellend umgesetzt. Nach einer Untersuchung der Universität Hamburg haben die Werbespots bis 2010 sogar noch zugenommen. Ein weiteres Problem sind mangelnde Kontrollen und Sanktionen, die dafür sorgen, dass die Verhaltensregeln sowie geltende Gesetze gegen irreführende Werbung eingehalten werden. So führen die Verbraucherzentralen jährlich viele Verfahren gegen Hersteller, die die Grenze des Erlaubten immer wieder neu austesten. Hier fehlt eine Marktaufsicht, die Werbung und Marketing systematisch beobachtet und bei Verstößen einschreitet.” (Verbraucherzentrale Bayern)
Die foodwatch-Kampagne „abgespeist“ entlarvt Werbelügen, Werbelyrik und Etikettenschwindel und zeigt, was dahinter steckt. Der “Goldener Windbeutel” ist ein Negativpreis, welcher vom gemeinnützigen Verein Foodwatch verliehen wird. Der Preis wurde erstmals im März 2009 vergeben und soll insbesondere auf den Unterschied zwischen beworbenen Qualitätsversprechen und den tatsächlichen Eigenschaften von Lebensmitteln hinweisen. Auch hier durchgängig Produkte nominiert und “preisgekrönt”, die vornehmlich für Kinder aufgemacht werden: Milchschnitte, Nimm 2, Fruchttiger, etc.
Meiner Ansicht nach liegt ein großer Teil der Verantwortung hierfür bei den Machern dieser Werbung, den Marketingabteilungen und Agenturen. Jeder Werber muss hier nach eigenem Wissen und Gewissen entscheiden für welchen Kunden er hier für welche Produkte tätig werden will. Leider ist diese Entscheidung auch hier oft recht schnell monetär getroffen. Wie wäre es, wenn der Goldene Windbeutel nicht nur an die Hersteller der Produkte verliehen wird, sondern auch an die dazugehörige verantwortliche Werbeagentur?